Wenn Liebe sich streitet: Was Paare stark macht – und was nicht

Wenn Liebe sich streitet: Was Paare stark macht – und was nicht

06.04.2025 | Lesezeit: 3 min

In einem Filmklassiker aus dem Jahr 2006 steht Brooke im Türrahmen der Küche und sagt zu Gary: „Ich will, dass du abwaschen willst.“ Ein Satz, der auf Social Media bis heute für hitzige Debatten sorgt. Wer hat recht? Ist Gary faul oder Brooke überfordert? Und warum ist der Abwasch plötzlich ein Symbol für das Ende einer Beziehung?

Der berühmte amerikanische Paarforscher John Gottman würde sagen: Es geht gar nicht um den Abwasch. Es geht um etwas Tieferes – ein Muster, das wiederkehrt. Denn ganze 69 Prozent aller Paarkonflikte drehen sich laut seiner Forschung um unlösbare, sogenannte „ewige“ Themen. Und wie ein Paar mit diesen Themen umgeht, entscheidet darüber, ob es gemeinsam alt wird – oder sich irgendwann trennt.

Die Entdeckung: Liebe lässt sich messen

John Gottman ist nicht nur Psychologe, sondern auch Mathematiker – und das hat ihn berühmt gemacht. Er beobachtete Paare nicht, wenn es bereits kriselte, sondern lange bevor eine Trennung überhaupt im Raum stand. In seinem „Love Lab“ ließ er sie über Alltagsthemen streiten, während ihre Herzfrequenz gemessen und jedes Wort analysiert wurde.

Sein Ziel: Muster erkennen. Gibt es Anzeichen, die früh verraten, ob eine Beziehung halten wird? Die Antwort war ja – und sie fiel überraschend klar aus.

Der erste Streit ist nicht das Problem

Viele glauben, dass das Streiten an sich das Beziehungsrisiko sei. Doch Paare, so zeigte Gottman, können oft und heftig streiten – und trotzdem glücklich miteinander bleiben. Entscheidend ist nicht, ob, sondern wie gestritten wird.

Vier Muster machen laut Gottman eine Beziehung besonders verletzlich:

  • Kritik am Charakter statt an konkretem Verhalten
  • Verteidigung statt Zuhören und Übernehmen von Verantwortung
  • Verachtung – sarkastische, spöttische oder überlegene Bemerkungen
  • Mauern – das emotionale „Dichtmachen“, Schweigen, Rückzug

Er nannte diese vier Verhaltensweisen die „apokalyptischen Reiter“ – und sie sagen mit hoher Wahrscheinlichkeit voraus, ob eine Beziehung auf Dauer scheitert.

Was ein Streit wirklich zeigt

Streit ist oft ein Türöffner zu tieferliegenden Bedürfnissen: nach Nähe, Respekt, Kontrolle, Anerkennung. Doch im Eifer des Gefechts verlieren wir das aus dem Blick. Statt unsere Verletzlichkeit zu zeigen, greifen wir an. Statt zu sagen „Ich bin müde und brauche Ruhe“ kommt ein genervtes „Du fragst nie, was ich will!“. Das ist verständlich – aber gefährlich. Denn negative Streitdynamiken brennen sich ein. Und was sich einmal eingebrannt hat, wiederholt sich. Immer wieder.

Die stille Kraft der kleinen Gesten

Gottmans vielleicht schönste Erkenntnis ist eine ganz andere. Nicht die großen Kämpfe entscheiden über das Glück einer Beziehung. Sondern die kleinen Momente dazwischen.

Wenn eine Partnerin beiläufig sagt: „Schau mal, das Rotkehlchen sitzt wieder auf dem Baum“ – und der andere reagiert, statt sich hinter seiner Zeitung zu verstecken, dann ist das eine sogenannte „Bitte um Verbindung“. Laut Gottman machen glückliche Paare genau das: Sie reagieren auf solche kleinen Kontaktversuche – im Schnitt bei 86 Prozent der Gelegenheiten. Unglückliche nur bei 33 Prozent.

Diese Mini-Momente sind emotionale Einzahlungen auf das Beziehungskonto. Sie geben Sicherheit. Wenn es dann einmal wirklich kracht, trägt das Konto – es ist nicht gleich leer.

Die Gretchenfrage: Können wir lernen, besser zu streiten?

Ja. Und zwar nicht, indem wir Konflikte vermeiden – sondern indem wir lernen, sie rechtzeitig, offen und liebevoll anzusprechen.

Der Schweizer Paarforscher Guy Bodenmann, ein enger Kollege von Gottman, sagt: „Streitet euch – aber tut es richtig.“ Seiner Forschung zufolge sollte man:

  1. Probleme früh ansprechen

  2. Nicht den Charakter kritisieren, sondern das konkrete Verhalten

  3. Die eigenen Gefühle mitteilen – nicht nur die Schuldzuweisungen

Ein Beispiel? Statt „Du denkst immer nur an dich!“ könnte jemand sagen: „Ich habe mich allein gefühlt, als du die Einladung ohne Rücksprache gemacht hast.“

Diese sogenannte emotionale Selbstöffnung ist der Moment, in dem aus einem Machtkampf wieder ein Gespräch wird. Wenn einer sich zeigt, wird auch der andere weich. Das ist keine Schwäche – es ist der Mut zur Nähe.

Und wenn alles zu viel wird?

Stress ist ein Beziehungskiller. Das weiß jedes Paar, das einmal gemeinsam versucht hat, ein Ikea-Regal aufzubauen. Wenn der Puls steigt, das Blut rauscht, die Schraube nicht passt und der Partner nervt – dann hilft nur eines: eine Pause.

Gottman empfiehlt, jeden Streit zu unterbrechen, sobald ein Partner „überflutet“ ist – also stark emotional reagiert. Und erst weiterzureden, wenn die körperliche Anspannung abgeklungen ist. Meist dauert das mindestens 30 Minuten.

Fazit: Liebe ist keine Glückssache

Paare scheitern nicht am Abwasch. Oder am Sideboard. Oder an der Frage, wie oft man Freunde einlädt. Sie scheitern daran, wie sie mit diesen Fragen umgehen.

Aber das ist die gute Nachricht: Man kann es lernen. Man kann üben, sich zuzuwenden statt abzuwenden. Man kann bewusst positive Momente schaffen. Und man kann lernen, Bedürfnisse zu erkennen, statt sie als Vorwurf zu verpacken.

Eine erfüllte Beziehung ist nicht das Ergebnis von Zufall. Sondern von Aufmerksamkeit, Mut – und der Bereitschaft, auch mitten im Streit einen Schritt auf den anderen zuzugehen.